Cannabis wird legal! 

26.02.2024

Steht der Legalisierung noch was im Weg?

Cannabis wird legal! Am 23.2.2024 hat der Bundestag in der 2., 3. Lesung und der Schlussabstimmung das Cannabisgesetz (CanG) beschlossen. Erstmal ein Grund zur Freude! Zwei Tage vor der Abstimmung kam es im federführenden Gesundheitsausschuss jedoch zu tumultartigen Szenen und laut lto gilt die Anrufung des Vermittlungsausschusses am 22. März nach Angaben aus Koalitionskreisen inzwischen als ziemlich wahrscheinlich. Doch, was ist ein Vermittlungsausschuss eigentlich und welche Aufgabe hat er?
Ein Vermittlungsausschuss kann vom Bundesrat einberufen werden und besteht aus 16 Mitgliedern des Bundesrates und ebenso vielen des Bundestages. Seine Aufgabe ist es, bei Uneinigkeiten im Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat zu vermitteln. 

Der Bundesrat berät: Kann er es verzögern?

Theoretisch ja. Es handelt sich beim Cannabisgesetz um ein Einspruchsgesetz, d.h. der Bundesrat hat die Möglichkeit Einspruch einzulegen und damit das Inkrafttreten zu verzögern. Der Bundesrat muss zunächst darüber entscheiden, ob er den Vermittlungsausschuss anruft und innerhalb von drei Wochen nach Zuleitung des Gesetzes, also bis spätestens 15.03.2024, einen Antrag auf Einberufung stellen. Denn bevor ein Einspruch gegen ein Gesetz eingelegt werden kann, muss ein Vermittlungsverfahren abgeschlossen werden (Artikel 77 Absatz 3 Satz 1 GG). Am 22.03.24, am Tag der Bundesratssitzung, wird dann entschieden, ob eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses vorhanden ist. (siehe Abbildung unten, Abschnitt "Zweiter Durchgang im Bundesrat”) 
Ist das nicht der Fall, kann der Bundesrat keinen Einspruch erheben und das Gesetz wird verabschiedet – denn über einen Einspruch darf in diesem Fall ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht abgestimmt werden. Falls es nun doch zu einer Mehrheit für einen Antrag zur Einberufung eines Vermittlungsausschusses kommt, dann kann es noch dauern. Das wäre eine herbe Enttäuschung für alle und würde zu einem Vertrauensverlust bei einem großen Teil der Bürgerinnen und Bürger führen. 

Warum könnte der Vermittlungsausschuss einberufen werden?

Die Länder sind aktuell wütend: Dazu zählt die SPD-Justizministerin in Niedersachsen, die Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern von der Linkspartei aber auch in der SPD-Alleinregierung im Saarland ist man sich uneinig – alleine Niedersachsens Justizministerin will das Inkrafttreten um sechs Monate aufschieben. Die Minister begründen das mit dem hohen bürokratischen Mehraufwand in den ersten Jahren des Gesetzes. Denn bevor das Gesetz Bürokratie abbaut, indem es für Gerechtigkeit sorgt und jährlich circa 180.000 Strafverfahren weniger anfallen, müssen Fälle von Richter:innen überprüft und Anträge auf Amnestie abgearbeitet werden. Das Problem liegt hier in der digitalen Infrastruktur der Gerichte, weswegen die Bundesregierung von 1,5 Mio € Mehrbelastung bis 2027 ausgeht. Eine konkrete Änderung der Gesetzesinhalte bezüglich der Amnestie-Regelung und dem Startschuss für Anbauvereine gilt von Seiten der Ampel-Regierung zum aktuellen Zeitpunkt zum Glück jedoch als unwahrscheinlich.
Eine Mehrheit für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses ist aufgrund der Parteizugehörigkeiten eigentlich nicht möglich. Denn wenn die Parteien sich an ihre Bundesprogramm halten und dementsprechend abstimmen, würde es nicht zu einem Ausschuss kommen. 

Gehen wir jedoch mal theoretisch davon aus, dass es zu einem Vermittlungsausschuss käme: Dann verzögert sich das Gesetz und es kommt nicht zum 01.04.2024, denn:
Das Vermittlungsverfahren gilt erst als abgeschlossen, wenn der Vermittlungsausschuss sich darauf einigt, mit einer Änderung oder Aufhebung des Gesetzes fortzufahren oder das vom Bundestag beschlossene Gesetz in seiner jetzigen Form bestätigt (allerdings frühestens nach drei erfolglosen Sitzungen des Vermittlungsausschusses).
Literaturverzeichnis:

CanG (2023): https://dserver.bundestag.de/btd/20/087/2008704.pdf, S.2 (24.02.2024)
Deutscher Bundestag Online-Dienste (2024), Abstimmungsergebnis CanG,
https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung/?id=904
(24.02.2024)
DHV: Expertenanhörung Bundestag (2023),

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw11-pa-gesundheit-cannabis-
937302 (24.02.2024)

Bundesrat (2024), Gesetzgebungsverfahren,
https://www.bundesrat.de/DE/aufgaben/gesetzgebung/verfahren/verfahren-node.html
(24.02.2024)
Vermittlungsausschuss (2024), Stellung und Aufgaben des Vermittlungsausschusses,

https://www.vermittlungsausschuss.de/VA/DE/aufgaben-
arbeitsweise/aufgaben/aufgaben-node.html (24.02.2024)

Vermittlungsausschuss (2024), Arbeitsweise,

https://www.vermittlungsausschuss.de/VA/DE/aufgaben-
arbeitsweise/arbeitsweise/arbeitsweise-
node.html;jsessionid=FB7B2B232A7AF3FEED23F39C62AB7CFE.live542#doc4785152bodyText1

(24.02.2024)
Pressemitteilung NDS (2024): Innenministerium Niedersachsen ‚ Strafjustiz nicht noch mehr
überlasten! – Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: „Geplante Amnestie für Verurteilte
muss aus dem Cannabisgesetz raus. Hilfsweise darf das Gesetz erst sechs Monate nach
Verkündung in Kraft treten.“ ‘,

https://www.mj.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/strafjustiz-
nicht-noch-mehr-uberlasten-justizministerin-dr-kathrin-wahlmann-geplante-amnestie-
fur-verurteilte-muss-aus-dem-cannabisgesetz-raus-hilfsweise-darf-das-gesetz-erst-
sechs-monate-nach-verkundung-in-kraft-treten-229733.html (24.02.2024)

Saar-Justizministerium (2024), Kritik an Cannabisgesetz,

https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/cannabis-
legalisierung_kritik_saarland_altfaelle_100.html (24.02.2024)

Mecklenburg-Vorpommern (2024), Justizministerin Linkspartei kritisiert CanG,

https://www.sueddeutsche.de/politik/cannabis-legalisierung-justiz-amnestie-regelung-ueberlastung-1.6384183
(24.02.2024)

Wikipedia: Mitglieder Vermittlungsausschuss (2024),
https://de.wikipedia.org/wiki/Vermittlungsausschuss#Verankerung_des_Vermittlungsausschuss
es_im_Grundgesetz (24.02.2024)




Abbildungen:
Bundesrat: Plakat Gesetzgebungsverfahren (2021),

https://www.bundesrat.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/plakat-
gg.pdf?__blob=publicationFile&v=6 

Bundesrat: Zusammensetzung (2024),
https://www.bundesrat.de/DE/bundesrat/verteilung/verteilung-node.html (Stand Januar 2024)

Bundesrat: Plenarsitzungen (2024), https://www.bundesrat.de/DE/termine/plenum/plenum-
node.html;jsessionid=24C7C6EECCEF0E0506C79DEE59AD5FA3.live521 (24.02.2024)

Wikipedia: Mitglieder Vermittlungsausschuss (2024),
https://de.wikipedia.org/wiki/Vermittlungsausschuss#Verankerung_des_Vermittlungsausschuss
es_im_Grundgesetz (24.02.2024)
 
Das heißt, dass Gesetz könnte durch die Einberufung eines Vermittlungsausschusses am 23.03.24 im Bundesrat, bis zum 14.06.24 verzögert werden. Denn wenn es keine Einigung im Ausschuss gibt und dann kein Einspruch vom Bundesrat erhoben wird, kann das Gesetz erst frühestens nach der dritten erfolglosen Sitzung des Vermittlungsausschusses in Kraft treten. 
Das Datum ist dabei auch nicht sicher. Denn der Vermittlungsausschuss tagt
nur auf Einladung des Vorsitzenden und der Prozess kann sich, wie beim Vermittlungsausschuss zur Krankenhausreform, um Monate verschieben. 

Bevor euch der Dübel aus der Hand fällt: Unserer Einschätzung nach sollte mit 19 Stimmen der SPD, Grüne, FDP und Linke gegen 13 Stimmen der CDU und AFD im Vermittlungsausschuss eine Mehrheit für das Gesetz bestehen.

Und falls der Bundesrat doch noch Einspruch einlegen sollte, muss der Bundestag das Gesetz, wie am 23.02.24 (407 Ja-Stimmen, 226 Nein-Stimmen, 4 Enthaltungen) nochmal mit einer einfachen Mehrheit beschließen.

Fazit

Das Gesetz kommt – wahrscheinlich auch mit keinen (wichtigen) Änderungen. Gegebenenfalls verschieben sich die Fristen für das Inkrafttreten und den Start der Anbauvereinigungen, wenn die Bundesregierung nur so einen Vermittlungsausschuss verhindern kann. Und wenn alles gut geht, so hoffen wir doch, tritt auch alles bereits zum 01.04.2024 in Kraft. 
Wir als Community sollten jetzt nochmal auf die Wichtigkeit des Gesetzes aufmerksam machen und unsere Landesregierungen dazu bewegen sich positiv zum Gesetz zu positionieren – denn ansonsten können uns (nur um Beispiele zu nennen) Niedersachsen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und andere Landesregierungen diesen Frühling versauen, weil der Vermittlungsausschuss das Inkrafttreten mindestens bis zum Sommer verzögern wird. 
Nichtsdestotrotz: Das Gesetz kommt, das Gesetz kommt dieses Jahr und das Gesetz wird viele Menschen vor noch nicht vollstreckten Strafen schützen.
Tim Gilzendegen / tl